Liebe Memschi
Ich habe keine Ahnung, wie ich in Worte fassen kann, was gerade abläuft. „Mein Körper ist kaputt, aber meine Seele lebt“, hast Du zuletzt gesagt, welch tröstliche Worte. Du hast sie an Carmen und Diana gerichtet, für die Du Dein Leben lang wie eine Wölfin gekämpft hast, ihnen Zufluchts – und Debatten-Ort warst, Ihnen ein „Zu Hause“ und allergrößten Halt gegeben hast.
Vielleicht bist Du ja jetzt ganz in der Nähe, im Schönbrunner Zoo, im Wolfsgehege, vielleicht auch bei den Elefanten – wahrscheinlich… 🐘
… oder Du sitzt verschmitzt zwischen uns, hüpfst von Einer zur andern, Deinen Monchichi in der Hand und zauberst uns auf unsichtbare Weise ein Lächeln ins Gesicht – vielleicht auch mit dem für Dich typischen „ja ja ja“, das wir alle so gut kennen.
So optimistisch, unverdrossen, neugierig und großzügig Du den Menschen zugewandt warst, bleibst Du für mich auch in der Anderswelt. Ich trage Dich sowieso ununterbrochen mit mir herum, kaum eine Minute – in der ich nicht an Dich denke, unsere Verbundenheit fühle und Erinnerungen nachspüre:
Unser „Pickerl sammeln“ in den 80ern etwa: ja, das war total „IN“ – uns zum „Sir Anthony“ auf der Kärntner Strasse reinzutrauen: die größte Mutprobe! Wir haben‘s geschafft! Oder das montägliche Schwimmen im Bundessportzentrum in der Südstadt und danach: Nudeln mit Ketchup!
Am Attersee bei Klaus, Erika und Ursi durch den kleinen Bach hinterm Sägewerk zum See flutschen, unsere leidigen Fahrten mit der Badner Bahn, das Zuspät-Kommen in der Schule….
Unser Einzug ins Olympiastadion in München nach einem schrecklich-anstrengenden Halbmarathon, Augustiner-Chor, Hugo-Distler-Chor, Schönberg-Chor, Cantilena, Quartett und Duett singen, und irre - wie Du Buckelpisten runtergedüst bist, unerschrocken in allem!
Du warst an meiner Seite – wenn ich traurig war – hast mich getröstet und umarmt.
Marmelade gekocht wie die Kaiserin von China, gestrickt, gehäkelt, Netze geknüpft – dass die Hälfte reicht, uns zusammengehalten über Jahrzehnte und alle Ländergrenzen hinweg!
Mir wird warm ums Herz bei der Erinnerung an unsere sommerlichen Bahnfahrten nach Salzburg zu OE, zwei Extrawurstsemmeln, die – kaum im Abteil – weggeputzt wurden. Ich mag die Erinnerung an Lintschis Zimmer – bei Salzburger Schnürlregen unsere Monchichis an die Wand werfend – ewig werde ich bei diesem Gedanken grinsen müssen.
Bis zuletzt haben wir dieses Ritual gelebt, selbst im Hanusch und auf der Palliativstation in Hietzing! Danke Memschi für Deinen unbändigen Humor bis zuletzt!
Deine Boots und Clocks, Dein hellblauer Cinque Cento, so cool!
Neugierig auf alles! Wildes München, noch wilderes Peking, Transsibirische Eisenbahn inklusive. Wie mutig Du die Welt erkundet hast, engagiert in allem! Politisch klar gegen rechts, wir waren auf vielen Lichtermeeren.
Das Leben hat Dir viel zugemutet.
Zu viel am Ende, das ist nicht fair.
Und ich bin nicht einverstanden und auch ein bissl grantig - auf wen auch immer – dass gerade DU jetzt in die Anderswelt musst.
In dem WIE – da liegt vielleicht der ganze Unterschied, um Hugo von Hofmannsthal zu zitieren. WIE Du Deine letzten Jahre gestaltet hast, WIE Du gekämpft hast, alles versucht, alles gegeben. Ohne jeden Verdacht auf Selbstmitleid. Dein Ringen um Selbstermächtigung, Dein Optimismus, Deine klare Stellungnahme: sie sind mir ein großes Vorbild.
Danke für die letzten Wochen Memschi, die ich mit Dir verbringen durfte, Dich begleiten bis zuletzt, ich habe Dich in allem vorgereiht, nichts anderes hast Du verdient – und ich staune, wie viel Kraft und Stärke ich selbst daraus mitnehme!
Das hat mit DIR zu tun! DU warst es, die uns Kraft gegeben hat und Zuversicht.
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Es war der Donnerstag, der 13.Juni:
An diesem Tag hast Du das Unfassbare akzeptiert. Das Schicksal, das seinen unbeirrbaren Lauf nehmen würde - ich verneige mich davor, wie Du Deine letzten Tage gestaltet hast, frei von allem Irdischen - außerhalb von Raum und Zeit.
Danke Carmen und Diana – dass Ihr mit Eurer Mami diesen Weg gegangen seid – ebenso unerschrocken dem großen Tabuthema TOD in die Augen geblickt habt, Euch damit auseinandersetzt, das berührt mich ungemein und ich bin wahnsinnig stolz auf Euch!!
Seid versichert, ab jetzt bin ICH eine der vielen Wölfinnen, die sich schützend vor Euch stellt, komme was wolle - ever!
Danke Jannis, dass Du Memschi in den letzten Monaten, Wochen, Tagen und Stunden so feinfühlig, unaufgeregt und unbeirrbar begleitet hast – Du warst ihre zweite große Liebe, sieben Jahre lang.
Danke an meine Eltern, dass Ihr mir Memschi an meine Seite geschenkt habt, an Johanna – die mir bleibt. Und danke an Euch – Memschis vielen innigen Freundinnen und Freunden samt ihrer Familien, viele sind gerade irgendwo in der Welt unterwegs.
Unser Blumenmeer für Memschi, das wir gemeinsam geknüpft, gepickt und gestaltet haben ist wunderschön geworden – danke Bella und Tante Karin 🥰 - ich bin zutiefst berührt von so viel Liebe, die Dir Memschi über Deinen Tod hinaus zu Teil wird.
„Ich schwinge mit Dir“ – habe ich Dir zuletzt gesagt, das tu ich noch jetzt. Ich fühle Dich, wenn ich atme, so nah bist Du mir.
EIN Thema vertiefe ich noch – und es fällt mir am Allerschwersten, darüber zu reden: Unser gemeinsames Singen.
Mit Niemandem war ich musikalisch so verbunden wie mit Dir.
Tempo, Töne, Rhythmus – in unsichtbar synchronisierter Geheimsprache waren wir darin verschworen – das wird mir fehlen…
Row Row your boat, gently down the stream
Merrily, merrily, merrily, merrily
Life ist but a dream…
Zwei Tage vor Deinem Tod haben wir dieses Lied gemeinsam gesungen, in zärtlich-leisem Kanon. Die Erinnerung daran erfüllt mich mit tiefster Geborgenheit.
Du hast IMMER an mich und mein Potential geglaubt – freilich gelegentlich auch mal was besser gewusst , das darf ja sein bei Geschwistern. Aber Du hast mir so viel Kraft und Mut gegeben, jeden Kulturmontag gesehen, mir stets das Beste gewünscht, mir mein Glück vergönnt ohne Wenn und Aber.
Ich hab Dich einfach soooo lieb, große Schwester.
Lass mir Klaudi schön grüßen und den Reinhard und meinen Heinz, den Vater von Benjamin – meinem großen Lebensglück. Schick unseren Vorfahren, unseren Großeltern und Urgroßeltern ein Lächeln von mir. Du wirst in ihrer Nähe sein. Und wenn Du den Karajan triffst, Michael Jackson oder auch Johann Sebastian Bach, dann freut mich das einfach riesig für Dich!
ANDERSWELT – so hast Du vor wenigen Wochen jene andere Welt genannt, die NACH dem Da-Sein auf der Erde auf Dich wartet. Die Vorstellung, dass Du dort auf einem großen, goldenen Wagen, mit Edelsteinen besetzt durchs nachtblaue All rauschst, hat Dir die Angst genommen – und nimmt sie auch mir. Gute Reise Memschi, irgendwann komm ich nach – ich finde Dich ❤️